Wie meistern die Stahels das alles?

Mobilitätsdienstleister

Wie meistern die Stahels das alles?

23. Oktober 2023 agvs-upsa.ch – Die Garage Stahel AG im Kanton Thurgau besteht seit rund 65 ­Jahren. Vor vier Jahren übernahm die dritte Generation das Ruder. Die ­Geschwister Helen und René Stahel gehören der Geschäftsleitung an, die aus fünf Personen besteht. Sie erklären, warum es für eine geordnete Nachfolgeregelung mindestens fünf Jahre Zeit braucht und weshalb sie anderen Garagen ans Herz legen, das ­Geschäft auf mehrere Schultern zu verteilen. Cynthia Mira

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«Es ist für uns eine Herzensangelegenheit, wir sind hier gross geworden», sagt Helen Stahel zur Übernahme. Auch für ihren Bruder René Stahel war schnell klar, dass er das Familienunternehmen weiterführen will. Foto: AGVS-Medien

Von der Garage zum Mobilitätsdienstleister: Diesen Wandel hat die Familie Stahel im Kanton Thurgau längst verinnerlicht. Die drei Geschwister Sandra, Helen und René leiten gemeinsam mit ihrem Cousin Silvan Stahel die Geschicke der 65-jährigen Traditionsfirma. Die Finanzen im Griff hat als externes Mitglied Silvio Sproll. «Wir wollten bewusst noch jemanden ins Boot holen, der keinen Stahel-Blick hat und wertvolle Inputs liefern kann – und vielleicht auch einfach manchmal auf die Bremse oder aufs Gas stehen muss», sagt Helen Stahel mit einem Grinsen im Gesicht. Für sie ist die Weiterführung des Familienbetriebs eine Herzensangelegenheit. Zudem engagiert sie sich seit vier Jahren im Vorstand der AGVS-Sektion Thurgau. Mit den vorgelebten familiären Werten und viel Dynamik will das Team den Hauptsitz in Oberaach sowie die drei weiteren Standorte (Weinfelden, Kreuzlingen und Amriswil) in eine erfolgreiche Zukunft führen. Wie das gelingt, zeigt sich bei einem Besuch vor Ort. 

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Ein dynamisches und professionelles Team mit Zukunftsvisionen. So lässt sich der Wind beschreiben, der einem entgegenweht, wenn man die Tür der Garage Stahel AG aufstösst. Silvan, René, Helen und Sandra (v.r.n.l) führen das Familienunternehmen mit viel Engagement und zusammen mit Silvio Sproll weiter. Foto: AGVS-Medien

Die Harmonie im Team ist spürbar, sobald die Tür zum geräumigen Showroom geöffnet wird. Wenngleich es in Sitzungen, wie sie betonen, durchaus auch mal laut werden kann. Die verschiedenen Sichtweisen und Charaktere der fünfköpfigen Geschäftsleitung haben Platz, was auch die vielen bereits umgesetzten Ideen beweisen. Auch im Januar 2024 steht eine grössere Neuerung bevor. Dann nämlich fahren auf dem von Ford geprägten Gelände auch Fahrzeuge der Marke Mitsubishi vor. Diesen Entscheid fällte das Team wohlüberlegt, denn mit der «Hausmarke» Ford, auf die bereits der Grossvater setzte, sind die Eigentümer fest verwurzelt. Aber: «Wir brauchen Angebote für einen bestehenden Kundenstamm, den wir mit Ford nicht mehr auf ganzer Linie bedienen können», schildert René Stahel die Situation. «Die Modelle, die in der Schweiz verfügbar sind, decken nicht mehr alle Segmente ab», so der 34-Jährige. Das liegt mitunter an der Politik und dem Lenkungsinstrument der CO2-Abgabe (diese wird bei Überschreitung der CO2-Zielwerte beim Autoimport erhoben und soll zur Senkung der CO2-Emissionen in der Schweiz beitragen), vor allem aber an der strategischen Ausrichtung von Ford in Richtig «Adventure Spirit». «Um weiterhin auf möglichst viele Kundenbedürfnisse eingehen zu können, haben wir uns für die Vertretung von Mitsubishi entschieden und freuen uns sehr darauf.»

René, der einst eine Lehre zum Schreiner absolvierte, sagt dazu: «Es ist so, als ob ich nur noch Tische aus Nussbaum herstelle, obwohl jeder zweite Kunde ein Möbel aus Eichenholz will.» Diese Situation am Markt habe auch einen Einfluss auf die Beratungsgespräche. «Als ich noch vor wenigen Jahren im Verkauf tätig war, erlebte ich eine ganz andere Situation.» Heute müssten sie bei gewissen Kundenwünschen einfach eine Abfuhr erteilen. «Die Zeiten, in denen Garagen ‹nur› Autos bestellt und verkauft haben, sind definitiv vorbei», ergänzt die 36-jährige Schwester. 

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Die Stahels bringen auch namhafte Sportlerinnen und Sportler und Kunstschaffende vor die Linse. So fährt beispielsweise der ehemalige Kunstturner Pablo Brägger seit 2022 eines ihrer Fahrzeuge. Foto: Garage Stahel AG

Offen sind die Stahels auch immer für Neues: Aktuell mit einem Pilotprojekt von Ford. Schon bald wird ein Mitarbeiter aus dem Hause mit dem vollelektrischen mobilen Service-Van unterwegs sein. Überbrücken, Batterie ersetzen, Bremsen wechseln – und dies beim Kunden, für ihn ohne Zusatzaufwand. Zudem hat das Team 2021 parallel das Unternehmen Mobista AG gegründet, mit dem Ziel, Auto-Abos anzubieten. Der Name Mobista geht auf die beiden Worte Mobilität und Stahel zurück. «Wir prüfen dieses Zusatzgeschäft, um bereit zu sein, sollten sich Abos etablieren», sagt Helen Stahel. Es sei wichtig, bereits heute Erfahrungen zu sammeln, aber die Nachfrage halte sich noch in Grenzen. Ganz im Gegenteil zum Angebot der Camper-Vermietung. Auf dieses Zusatzgeschäft setzte die Familie schon kurz vor der Pandemie, womit sie vom Boom profitierte. «Das Timing hat gepasst, Ford brachte den Transit Nugget zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt. Das ist ein super Produkt, und wir machten mit diesem Zusatzgeschäft noch fast keine negativen Erfahrungen», schwärmt sie. Einen weiteren Wirtschaftszweig hat die Familie mit einem kleinen Lebensmittelladen unmittelbar neben dem Showroom. «Dieser Shop ist zum Dorfladen mutiert, jedenfalls nennen ihn alle so, weil es sonst nichts Vergleichbares gibt», so der Bruder. 

An dieser Stelle kann man sich als Leser respektive Leserin aufgrund der Fülle an Zusatzgeschäften berechtigterweise fragen: Wie meistern die Stahels das alles? «Ich bin der Überzeugung, dass man als alleiniger CEO in einer Garage heutzutage untergeht», betont René Stahel. Es seien so viele Herausforderungen im Autogewerbe zu meistern. Er empfehle deshalb, das Geschäft in der obersten Etage auf mehrere Schultern zu verteilen. Helen Stahel pflichtet ihm bei und wirft ein: «Das Agenturmodell kommt ja auch noch, das ist eine Ungewissheit, die uns im Gewerbe zu schaffen macht, weil wir nie mit Sicherheit wissen, wie es weitergeht.» 

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Auf die Marke Ford setzt die Familie Stahel schon seit Jahren. Foto: AGVS-Medien

An die Integration der alternativen Antriebe sowie die Digitalisierung im Geschäftsalltag haben sie längst gedacht. So wurde in Ladestationen investiert und in die Weiterbildung des Personals. Glücklicherweise hatten sie bisher auch noch nie Schwierigkeiten, passende Lernende zu finden. Acht Nachwuchstalente bilden sie derzeit aus. «Ich denke, in einer ländlichen Region wird eine Lehre in einem Familienunternehmen noch etwas grösser geschrieben. Man schätzt es, wenn ein Gesicht hinter der Firma steht und man weiss, wo man arbeitet», sagt Helen Stahel. Sie wolle das Problem in der Branche aber nicht kleinreden. «Der Fachkräftemangel ist, wie in vielen anderen Branchen auch, ein Fakt.» Sie sei sehr dankbar für die Loyalität sowie das entgegengebrachte Vertrauen der Mitarbeitenden, schliesslich könne man ohne gutes Personal kein Geschäft führen. Der Erfolg sei aber natürlich auch auf die Vorgängergeneration zurückzuführen. «Wir müssen unserem Grossvater Theo Stahel, der 1959 den Grundstein für die Garage legte, sowie unserem Onkel und Vater danke sagen», betont René Stahel. Sie haben über die viele Jahre hinweg für einen guten Ruf und den grossen Bekanntheitsgrad in der Region gesorgt. 
 
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2019 wurden die Übergabe an die dritte Generation sowie das Firmenjubiläum ein ganzes Jahr mit den ­unterschiedlichsten Aktivitäten in der Region ­gefeiert. Foto: Garage Stahel AG

Wie die Nachfolgeregelung auch in Ihrer Garage gelingt
Die Übergabe dauerte bei den Stahels insgesamt fünf Jahre. Eine Zeit, die es dringend braucht. «Es sind nicht nur finanzielle, sondern auch emotionale Aspekte zu berücksichtigen», sagt Helen Stahel. Viele Entscheidungen, die anfallen würden, habe man zunächst gar nicht auf dem Schirm. Dazu gehören Bankgeschäfte oder diverse Abklärungen für Notfälle. Zum Beispiel musste bei ihnen geregelt werden, ob und wie die Firma bestehen kann, wenn ein Todesfall eintritt. «Bis man das Geschäft wirklich übernehmen kann, dauert es mindestens fünf Jahre. Die Vorbereitungen und die ersten Schritte in diese Richtung tätigt man aber am besten noch früher», betont sie. Sie empfehle den Betrieben, die vor einer Übergabe stehen, dringend einen Experten ins Boot zu holen. «In einer Garage hat man in der Regel andere Kernkompetenzen. Die Gefahr, dass etwas untergeht, ist zu gross.» 

Eine Lösung mit einer externen Geschäftsleitung kam für die Familie Stahel nicht in Frage, obwohl Sandra und Helen sich zuerst für eine kaufmännische Lehre, Sandra in einer anderen Branche und Helen auf dem Strassenverkehrsamt TG, entschieden und nur Silvan Stahel effektiv nach der Schule eine Lehre zum Automobil-Mechatroniker absolvierte. Dennoch war für sie alle klar, dass sie die Tradition weiterführen wollen. Nur Silvan Stahel’s Schwestern Corinne und Melanie entschieden sich für einen anderen Weg. «Es ist für uns eine Herzensangelegenheit, wir sind hier gross geworden. Unsere Eltern haben uns aber nie gedrängt oder Druck gemacht, das rechne ich ihnen hoch an», so Helen Stahel. 
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